
Anlass für die Exkursion war eine Ausstellung des in Deutschland relativ unbekannten 2020 verstorbenen Künstlers Markus Raetz in Bern. Auf dem Weg in die Hauptstadt der Schweiz boten sich natürlich noch einige kunst-und designgeschichtlich relevante Stops an: Basel, Weil am Rhein und auf der Rückfahrt Stuttgart.
Basel
Mit dem um 6:12 in Kiel startenden ICE wurde Basel pünktlich erreicht, so dass der geplante Besuch des von Mario Botta entworfenen Museum Tinguely noch am Nachmittag möglich war. In der Ausstellung „La roue = c’est tout“ wurde neben den großen Maschinen auch das Frühwerk von Jean Tinguely gezeigt. In der großen Ausstellungshalle dominierten polternde, lärmende, bewusst dilettantisch zusammengeschraubte Konstruktionen, die im digitalen Zeitalter wie mechanische Saurier erscheinen. Filme zeigten explosive Aktionen und Kollaborationen aus den 60er Jahren.
Bern
In dem Kunstmuseum Bern besuchten wir die Markus-Raetz-Ausstellung „Qui non, si no, Yes no“. Die von seinem langjährigen Weggefährten Stephan Kunz kuratierte Ausstellung bot einen eindrucksvollen Überblick über das Schaffen des Künstlers, der trotz Teilnahme an der Documenta 4 und 5 und der Biennale in Venedig in Deutschland relativ unbekannt geblieben ist. Mit Unterstützung von Monika Raetz und auf Grundlage zahlreicher Skizzen konnte die letzte große Arbeit „Wolke“ in Bern erstmalig präsentiert werden: ein Mobile aus zahllosen filigranen Drahtobjekten, die aus unterschiedlichen Perspektiven und bei subtilen, durch Luftströme evozierten Bewegungen immer wieder neue Figurationen zeigten. Alle Arbeiten thematisieren unsere Wahrnehmung und forderten die Betrachter*innen zur Interaktion. Dem Konzept des Denkraums folgend, hatte die Ausstellung weder Anfang, noch Ende, sondern konnte über verschiedene Zugänge erschlossen werden. Bleibt zu ergänzen, dass der Künstler seine Arbeiten zeichnerisch und experimentell plante – ohne computerbasierte Unterstützung. Ein sinnfälliges Beispiel der „denkenden Hand“.
Im Anschluss besuchten wir das Zentrum Paul Klee – ein beeindruckend in die Landschaft integrierter Bau von Renzo Piano. Neben dem Werk von Paul Klee hatten wir das Glück, eine phantastische Ausstellung der Dadaistin Hannah Höch zu sehen. Die Technik der Fotocollage wurde durch historische Fotografien und Filme in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext bestens verständlich. Exkurse zu Höchs Zeitgenossen von Kurt Schwitters bis zu Max Ernst rundeten das Bild ab.
Vitra / Weil am Rhein
Allein das Ensemble von architektonischen Highlights macht den Besuch des Vitra-Campus zu einem Pflichtprogramm angehender Designer*innen.
Die historischen Gebäude: die Tankstelle von Jean Prouvé (ca. 1953, seit 2003 auf dem Campus), der Dome von Buckminster Fuller (1975 / 2000) und das Umbrella House von Kazuo Shinohara (1961/ 2022) und die modernen Fabrikationshallen, das Museum, das sogenannte Vitra-Haus … Gebäude von Nicholas Grimshaw, Frank Gehry, Álvaro Siza, Zaha Hadid, Tadao Ando, Herzog & de Meuron und SANAA.
Im Rahmen einer Architekturführung über den Campus konnten wir nicht nur die Gebäude von außen betrachten, sondern auch betreten. Besonderes Augenmerk richteten wir dabei auf das Feuerwehrhaus von Zaha Hadid – auch wenn heute jede Metropole (einschließlich Wolfsburg) über eine Hadid-Signature-Architektur verfügt. Die Feuerwehrwache war das erste Gebäude, das Zaha Hadid 1993 verwirklichen konnte. Spätestens seit ihrem Wettbewerbsbeitrag für den Peak Leisure Club 1982/83 erregten ihre Entwürfe internationales Aufsehen – allein die Fachleute bescheinigten die Undurchführbarkeit solcher Pläne. Es ist dem Mut von Rolf Fehlbaum, damaliger „Chef“ von Vitra, zu verdanken, dass hier dann das erste Gebäude tatsächlich realisiert werden konnte. Eine architektonische Sensation, die vergleichbar dem Frank-Gehry-Bau große Aufmerksamkeit – auch außerhalb der Architekturszene– generierte. Heute erscheinen uns im Abstand von etwa 30 Jahren all die schrägen Wände, sich kreuzenden Diagonalen, die spitzwinkligen Räume als allgegenwärtig. Interessant, dass unter den Studierenden der sehr zurückgenommene, meditative Konferenz-Pavillon von Tadao Ando, ebenfalls aus dem Jahr 1993, deutlich positiver aufgenommen wurde.
Über die weiteren Ausstellungen (Architekturfotografie von Ivan Baan), die historischen und kommenden Design„klassiker“, die Showrooms und den Bookshop zum erfolgreichen Wecken von Begehrlichkeiten sollen hier keine weiteren Worte verloren werden. Nur so viel: das Konzept des Vitra-Campus als Wallfahrtsort für design-affine Menschen ist glänzend aufgegangen.
Stuttgart
Abschluss der Exkursion war der Besuch der Weissenhof-Siedlung in Stuttgart mit dem Besuch des Weissenhofmuseums im Le-Corbusier-Haus.
Die Exkursion fand im Rahmen des Semesterangebots „Designgeschichtliche Exkursionen“ mit Student*innen aus dem Industrie- und Kommunikationsdesign statt und wurde von Jens Hoeft organisiert und durchgeführt. Die Fotos kommen von den teilnehmenden Student*innen. Die Exkursion wurde von der Muthesius Kunsthochschule finanziell unterstützt.